Dienstag, 5. Januar 2010


Ein Leben ohne Telefon to go
Oder auch:
Die Begegnung mit der eigenen Unfähigkeit

Kein Handy zu haben, heißt vor allem von zerteilten Prozessen abzuhängen und diese, ganz alleine, ohne technische Hilfe im Moment der gewollten Kommunikation zusammen zu fügen. Hört sich banal an, verlangt aber weit aus mehr Zwischenschaltungen des Gehirns als zunächst angenommen. So zum Beispiel an der längst durch individuelle Kommunikationszentrale ersetzten Telefonzelle. Wühl, wühl, wühl. Alles beginnt mit einer Suchaktion in der tiefsten Seele der Hand-, Hosen und an besonders Such uneffektiven Tagen auch in Jackentaschen. Und ähnlich wie in der menschlichen Seelen, stößt man auch in jenen Stoffausgehöhlten Tiefen auf weniger erfreuliche Überraschungen: ein völlig zerknitterter, vom Collageblock hastig abgerissener und gegruselten Haaren umkreistes Etwas. „Puh, endlich Caterinas Nummer gefunden…“ Und während dann mit größter Konzentration die 100 Peso Münze, einmal und noch mal durch den silbernen Schlitzt geworfen wird, denkend an die keiner guckst aber alle haben es trotzdem gesehen Fernsehshow Galileo, wo pseudowissenschaftlich nachgewiesen wurde das dass nicht akzeptieren von Münzen von Automaten, nicht an der Münze liege sondern an der Geschwindigkeit des Einwurfs, weht plötzlich der Code für den Anfang des Kommunikationsprozesses davon. Der unkoordinierte Griff nach unten, nach Caterinas nun auf dem Boden liegenden Telefonnummer hat natürlich Konsequenzen. Zack. Mist. Tasche fällt und mit ihr landet, der in ihr angesammelte Mikrokosmos ebenfalls neben meinen türkischen Adidas Sneakern. Während der Telefonhörer hin und her pendelt (das muss man sich mal überlegen…der pendelt! Der fällt nicht einfach so auf den Boden wie so ein neu modernes Handy, der ist vor Absturzgefahren gesichert!) und überlegt wird, was denn nun als erstes aufgehoben wird, einige Sekunden der Faszination: „Ah, da ist der Labello den du wie ne Bekloppte im Bus nach Curauma gesucht hast“ und „Cool, da ist ja auch der Apfellolli den mir Hannah geschenkt hat, ein bisschen sandig aber macht nichts.“ Plötzlich ein ruckartiger, jegliche Faszination für längst mental vermisst gemeldete, banale, aber wie diese Gedanken beweisen durchaus von Bedeutung Tascheninhalte relativierender Gedanke. „Was tue ich hier gerade?“. Alles noch mal von vorne. Ist doch nicht so schwer. So. Nummer suchen, Münze (langsam) durch den Schlitz werfen, Nummer wählen. Null, neun, acht, drei, zwei, zwei …“äh…zweiiiiii…hm…habe ich zweimal oder dreimal die zwei gewählt…“ Verstörte Blicke: Zettel, Display. Display, Zettel. Mist! Nummern wählen, das ist man halt irgendwie auch nicht mehr so gewöhnt, deswegen verwählt man sich natürlich. Prrrrrrrr…die 100 Pesos Münze rast mit einer unglaublichen Eigendynamik durch den blech ausgefüllten Innenraum des Kommunikationsmediums und PAFF! Fällt auf den Boden. Ne, ne! Die Münze bleibt natürlich nicht, indem extra für die Vermeidung dieses Vorfalls vorgesehende, konstruierten Schlüpfloch ähnelnden Auffangbecken. Man, son scheiß…das wird ja nie was. Nur gut dass der Mensch über so etwas namens Intelligenz verfügt, was ihn ermöglicht von seinen Fehlern zu lernen. Nochmal: Münze einwerfen, konzentriert Nummern tippen. Tuuuuut, tuuuut…“Hallo, hey ich muss schnell machen, bin inner tele...". Tut, tut, tut.
Hiermit rate ich offiiziell von jeglichen sogennaten "Gehirn - Jogging- Training" ab und empfehle zur Neuronenaktivierung mal wieder von einer Telefonzelle aus zu telefonieren. :-D


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen